Was berechtigte Eje, den Thron zu besteigen?

Die in diesem Exkurs geäußerten Meinungen und Hypothesen geben einzig und allein  meine persönliche Meinung wieder. Sie basieren auf meine persönliche Einschätzung der damals in Ägypten herrschenden macht– und kultpolitischen Gegebenheiten und Notwendigkeiten. Die Periode, die mit der Thronbesteigung Amenophis IV./Echnaton beginnt und erst in den Anfangsjahren der Regierung Haremhabs endete, gehört mit Sicherheit zu den verworendsten und widersprüchlichsten in der gesamten Geschichte Ägyptens.

Die Thronbesteigung Ejes nach dem Tode Tutanchamuns, dessen Ehe mit Anchesenamun bekanntlich kinderlos geblieben war (wenn man von den beiden totgeborenen Föten absieht) stieß früher auf Verwunderung. Man fragte sich, weshalb er und nicht Haremhab, der unter Tutanchamun sicher politisch mächtigste Mann, den Thron Ägyptens bestieg. Eje hatte zwar auch unter Tutanchamun höchste Titel auch militärischer Art (diese bereits unter Echnaton), doch sind sie im Vergleich zu denen, die Haremhab unter Tutanchamun innehatte, mit Sicherheit geringer. Haremhab war faktisch der Stellvertreter seines Königs Nebcheperure  (Tutanchamun) im ganzen Lande, sowie Oberkommandierender der gesamten ägyptischen Armee, und damit gleichzeitig mit allen auswärtigen Angelegenheiten des Landes betraut.

Eje dagegen scheint während der Regierungszeit Tutanchamuns am Hof die Graue Eminez gewesen zu sein, der am Hofe (vielleicht als Erzieher und Mentor des jungen Königs) die Fäden zog. Es darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass diesen beiden mächtigsten Männern im Lande  Haremhab und Eje   fähige und auch sicher politisch einflussreiche Beamte wie der Schatzhausvorsteher Maja, ebenso wie Nachtmin, zur Seite standen.

Was befähigte nun Eje, der zu dieser Zeit wahrscheinlich bereits im fortgeschrittenen Alter war, gegenüber Haremhab den Thron zu besteigen?  

Zuerst muss man sich vor Augen halten, dass allgemein der Umstand, dass Eje den Thron bestieg, als ganz selbstverständlichen Vorgang hingenommen wird. Dies geschieht aus der Retrospektive heraus, da es ja eine Tatsache ist, dass Eje den Thron bestieg. Jedoch weder Haremhab noch Eje konnten bei Regierungsantritt König Tutanchamuns ahnen, dass sie jemals Herrscher über Ägyptens würden. Haremhab als höchster administrativer Beamter des Staates ließ sich ein prächtiges Grab, seines damaligen Ranges entsprechend, in Saqqara anlegen. Von Eje, der in Amarna eine der schönsten und größten Grabanlagen besaß, die aber nur teilweise – wie die meisten anderen Beamtengräber in Amarna – fertiggestellt wurde, was erstaunlich ist im Hinblick auf die Zeit, die zur Verfügung gestanden hätte, ist im Gegensatz zu Haremhab, kein späteres Beamtengrab vorhanden. Dies kann jedoch eigentlich nur eins bedeuten, Eje wurde schon zu Beginn der Regierung Tutanchamuns das Privileg gewährt, (oder er nahm sich dieses Vorrecht heraus) sich ein undekoriertes Beamtengrab im Tal der Könige anlegen zu lassen.

Weder Haremhab noch Eje  dachten zum damaligen Zeitpunkt im Traum daran, dass sie einmal den Thron Ägypten besteigen würden. Der Tot des jugendlichen Tutanchamuns und eventuell eine längere vorausgehende Krankheit muss für große Verunsicherung unter der Führungsschicht des Landes hervorgerufen haben, lag doch alle Hoffnung auf dem jugendlichen König und seiner nicht allzu viel älteren Gemahlin Anchesenamun. Trotz der beiden Fehlgeburten, die im Königsgrab KV 62 aufgefundenen wurden – bei denen es sich nach den neuesten Forschungsergebnissen wohl tatsächlich um Töchter Tutanchamuns handelte – hätte das noch junge Königspaar genügend Zeit gehabt, einen Thronfolger (gegebenenfalls auch mit anderen Frauen) zu zeugen. Jedoch mit dem wohl eher unerwarteten und nicht voraussehbaren frühen Tode Tutanchamuns trat völlig unerwartet ein Machtvakuum ein. Mit Sicherheit wurde diese Situation als eine äußerst kritische Situation für das Land empfunden. Ägypten hatte gerade eine religionspolitische Umwälzung hinter sich, zudem wurde der militärische Druck auf die Vasallenstaaten Ägyptens im Vorderen Orient durch das Hethiterreich immer stärker. Das Land brauchte dringendst einen neuer König, um das Machtvakuum zu füllen und die maatgerechte Ordnung, ohne die Ägypter ihr Land für verloren hielten, aufrecht zu erhalten.

Dieser König war nun aber gerade der alternde Ejes weshalb gerade er?

Es muss ein triftiger Grund vorgelegen haben, dass Eje als König akzeptieren wurde; ein wahrscheinlich kinderloser Mann, bei dem wohl ziemlich sicher feststand, dass er dem Land zusammen mit seiner sicher nicht viel jüngeren Gemahlin keinen Thronerben mehr schenken konnte.

Eje könnte der berühmte "Notnagel", in Ermangelung einer momentan besseren Lösung gewesen sein. Was war nun aber das besondere an Eje, das ihn anscheinend aus alle anderen eventuellen Kandidaten heraushob? Schon in seinem Amarna-Grab fällt die enge Verbindung des „Gottesvater“ Eje  und dessen Frau  - sie war die Amme der späteren Königin Nofretete –  zur königlichen Familie auf. Unter Tutanchamun muss die Beziehung zum jungen König eng gewesen sein, es wurde schon vermutet, dass Eje als Erzieher oder zumindest Mentor des Kindkönigs auftrat. Mit Sicherheit war Eje der mächtigste und einflussreichste Beamte am Königshof, während Haremhab die Innen– und Außenpolitische Verantwortung trug.  

Die enge Beziehung Ejes zu Tutanchamun auch in kultpolitischer Beziehung zeigt sich in der (wahrscheinlichen) Darstellung Ejes hinter dem König auf der sog. Restaurationsstele und auf in KV 54 entdeckten Goldfolien, die Tutanchamun  in Begleitung Ejes zeigen.

Auffallend ist auch die Überbetonung des Titels eines  „Gottesvater “ während seiner Beamtenzeit. Der Titel „Gottesvater“ wird immer angeführt vor allen seinen anderen Titeln, oft sogar nur als einzigster. Nach seiner Thronbesteigung nahm Eje den Titel „Gottesvater“ sogar als wichtigsten Bestandteil in seinen Geburtsnamen auf. 

Daraus ist ersichtlich, wie wichtig Eje seinen Titel eines „Gottesvaters“ erachtete, der wohl sein Verhältnis zum König (oder auch zur Königsfamilie) wiederspiegelt. Es wäre sogar zu überlegen, ob Eje nicht doch auf irgendeine Weise mit der Königsfamilie (eventuell über den "Achmin-Clan") verwandtschaftlich verbunden war. Es ist bekannt, das Eje aus einer einflussreichen und alten Familie, die im Gebiet von Achmin ansässig war, stammt. Diese Familie stellte wahrscheinlich schon des öfteren innerhalb der 18. Dynastie königliche Gemahlinnen.  

Sollte keine irgendwie verwandtschaftliche Beziehung zwischen dem Königshaus und Eje bestanden haben, kann die Berechtigung für die Thronbesteigung Ejes nur in seinem engen Verhältnis zu König Tutanchamun zu suchen sein. Dabei wäre eventuell sogar im Hinblick auf den durch die neusten Forschungs-Ergebnissen bekannt gewordenen Gesundheitszustand des Königs daran zu denken, ob nicht zum Ende der Lebenszeit Tutanchamuns eine Art Mitregentschaft Tutanchamun–Eje bestand, die dann beim Tode Tutanchamuns reibungslos in die Herrschaft Ejes überging.

Haremhab dagegen hatte zwar gegenüber Eje die höheren Titel, und wohl die Macht des ägyptischen Heeres hinter sich, war jedoch nicht wie Eje mit der königlichen Familie verbunden, weshalb er zum Zeitpunkt des Todes Tutanchamuns nicht die genügende Legitimation als Thronfolger besaß. Erst nach dem Tode Ejes, der wohl von der höheren Beamtenschicht in irgendeiner Weise als letzter Angehöriger der königlichen Familie betrachtet wurde, war der Weg für Haremhab frei. Haremhab hingegen unterlässt Hinweise auf eine persönliche Beziehung zur Königsfamilie, er legitimiert sich zum König durch seine Tüchtigkeit und Nützlichkeit als Beamter und durch das ihm von Tutanchamun gegebenen Amt als dessen Stellvertreter im ganzen Land zu dessen Lebzeiten. Im übrigen lässt er sich durch den Provinzgott seiner Heimatstadt bei Amun seine göttliche Legitimation bestätigen. 

Eje dagegen betonte seine Verbindung zu Tutanchamun, als Beweis für die Rechtmäßigkeit seiner Thronbesteigung. Seine Rolle bei der Begräbniszeremonie für Tutanchamun unterstreicht die Wandszene im Grabe Tutanchamuns.

Ejes Thronbesteigung erfolgte sicher mit Einverständnis oder zumindest Duldung von Haremhab und der hohen Beamtenschaft wie Maja etc.

( Co-Autor J. H. Pirzer)
Die in diesem Exkurs geäußerten Meinungen und Hypothesen geben einzig und allein unsere persönliche Meinung wieder.
 Sie entspringt unserer persönlichen Einschätzung, die auf einer über dreißigjährigen Auseinandersetzung mit dem Thema der ägyptischen Geschichte stammt, im Blickwinkel der damals in Ägypten herrschenden Macht- und kultpolitischen Gegebenheiten und Notwendigkeiten.

 

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